(c) Klaus Marion 1999
erschienen in VorSicht 6/99
Meckernde und unfreundliche Firmenmitarbeiter am Telefon scheinen eine zutiefst deutsche Angelegenheit zu sein. Versuche, diesem Mißstand abzuhelfen, zeigen in den unterschiedlichen Kulturen sehr differenzierte Ergebnisse. Wenn in amerikanischen Firmen der Chef ganz allgemein einen freundlichen Ton befiehlt, kommt dabei ein netter Umgangston am Telefon heraus. In Deutschland kommt statt dessen der Betriebsrat und erklärt, die Mitarbeiter seien für ihre Gehaltseinstufung bereits freundlich genug. Doch neuerdings scheint es in manchen Firmen zu funktionieren. Genaue Anweisungen über die Art des Telefonierens. Exakte Vorgaben, strenge Reglementierung. Wird das in der Praxis funktionieren? Das nachfolgende Tondokument gibt uns einen Anhaltspunkt...
Der heimische Staubsauger war defekt. Da ich mit der vertrauensvollen Auskunft des von mir zu Rate gezogenen Verkäufers, ein dreiviertel Jahr altes Gerät sei „eh längst veraltet“ und daher ein Reparaturversuch sowieso zum scheitern verurteilt, nicht völlig einverstanden war, ließ ich mir die zentrale Rufnummer des durchaus renommierten Herstellers geben: „Sondermann Elektrogeräte GmbH und C. KG. Hier ist die zentrale Vermittlung und Serviceweiterleitung. Ich wünsche Ihnen einen schönen Morgen. Mein Name ist Sonja Rasenmann. Was kann ich für Sie tun?“ „Äh, Guten Morgen. Ich heiße Klaus Marion, und ich möchte nachfragen, äh wegen einer Reparatur meines Staubsaugers...“ „Das ist kein Problem. Ich verbinde Sie mit der Reparaturabwicklung. Ich hoffe, ich konnte Ihnen damit weiterhelfen. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Morgen!“ „Sondermann Elektrogeräte GmbH und Co KG. Hier ist die Abteilung Reparaturabwicklung und Servicekontrolle. Ich wünsche Ihnen einen guten Morgen. Mein Name ist Gabriele Joleck. Was kann ich für Sie tun?“ „Äh, ich wollte fragen, ob man meinen TX520e noch reparieren kann. Er saugt nicht und riecht komisch verschmort...“ „Oh, da sind sie bei mir nicht richtig. Ich gebe Sie an Frau Winter von der Serviceauskunft weiter. Bitte bleiben Sie am Apparat. Ich hoffe, ich konnte Ihnen weiterhelfen. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Morgen. „Ja, danke schön, ich...“ „Sondermann Elektrogeräte GmbH und Co. KG. Hier ist die Abteilung Reparaturabwicklung und Servicekontrolle. Ich wünsche Ihnen einen guten Morgen. Mein Name ist Gabriele Joleck. Es tut mir leid, daß Sie warten mußten. Frau Winter ist wohl noch nicht am Platz. Ich versuch’s mal im technischen Service und Einsatzplanung bei Herrn Holtinger. Bitte bleiben Sie am Apparat. Ich hoffe, ich konnte Ihnen weiterhelfen. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Morgen.“ „Sondermann Elektrogeräte GmbH und Co. KG. Hier ist die Abteilung Reparaturabwicklung und Servicekontrolle. Ich wünsche Ihnen einen guten Morgen. Mein Name ist Gabriele Joleck... „Äh, ich weiß...“ „Es tut mir leid, daß Sie warten mußten. Herr Holtinger macht Frühstück. Bitte bleiben Sie am Apparat. Ich hoffe, ich konnte Ihnen weiterhelfen. Ich versuch’s mal in der zentralen europaweiten Serviceannahme. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Morgen.“ „Hallo, sagen Sie mal ... Hallo!“ „Sondermann Elektrogeräte GmbH und Co KG. Hier Abteilung europaweiter Service. Mein Name ist Sczejapschke Zcechinskaja. Rankrajwaskoje relad zcecjanskis nebjeb randoi?“ „Guten Morgen, es geht um einen Staubsauger...“ „Zjegare kojowski telak gadai? Gadai ojawski?“ „Nein nein, um einen Staubsauger. Einen TX520e...“ „Zsegare kowoki? Gadai??“ „Äh, ich verstehe sie nicht. Do you speak english? Ein bißchen?“ „Radai zagarowski. Nada. Bitte bleiben Sie an Apparate. Ich hoffe, ich konnte Ihnen weiterhelfen. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Morgen [Klick-Klick]”. „Sondermann Elektrogeräte GmbH und Co. KG. Hier ist die Abteilung Reparaturabwicklung und Servicekontrolle. Ich wünsche Ihnen einen guten Morgen. Mein Name ist Gabriele Joleck. Es tut mir leid, daß Sie warten...“ „Hören Sie, das weiß ich ja alles. Ich hatte da gerade jemand am Apparat, der verstand mich nicht.“ „Das tut mir leid, unser europaweites Callcenter sitzt in Irland, und manchmal sind wir wegen Erkrankungen auch auf Improvisationen angewiesen. Ich hoffe, ich konnte Ihnen weiterhelfen?“ „Keine Ahnung. Warum fragen Sie mich denn das jedesmal?“ „Nun, das sind die neuen Texte. Jeder Mitarbeiter am Telefon hat exakt diese Sätze zu sagen. Damit wir freundlicher werden. Alles genau festgelegt. Und in einem Trainingskurs geübt. Und wird ständig kontrolliert. Ich hoffe, ich konnte Ihnen weiterhelfen. Bitte bleiben Sie am Apparat. „Darauf können Sie sich verlassen. Das ist ja absolut lächerlich, mit diesen Satzhülsen. Wer kommt denn auf so eine Idee??“ „Vielen Dank, daß Sie gewartet haben. Der amerikanische Vorstandsvorsitzende. Er hatte in der Zentrale angerufen, weil sein Staubsauger streikte. Man gab ihm aufgrund seines Problems in deutscher Sprache zu verstehen, er möge sich woanders hin wenden. Dorthin, wo der Pfeffer wächst. Ich hoffe, ich konnte Ihnen weiterhelfen!“ „Ach...“ „Seitdem haben wir diese Texte. Vielen Dank, daß Sie soviel Geduld gehabt haben. Ich meine, ich verbinde Sie jetzt mal mit der zentralen Qualitätskontrolle. Bitte bleiben Sie am Apparat. Ich hoffe, ich konnte Ihnen weiterhelfen. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Morgen.“ „Sondermann Elektrogeräte GmbH und Co. KG. Hier ist die Abteilung zentrale Qualitätskontrolle. Ich wünsche Ihnen einen guten Morgen. Mein Name ist Jolada Johanski. Es tut mir leid, daß Sie warten mußten. Ich bin nur die Reinigungskraft. Es ist sonst niemand da. Bitte bleiben Sie am Apparat. Ich hoffe, ich konnte Ihnen weiterhelfen. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Morgen.“ „Sondermann Elektrogeräte GmbH und Co KG. Hier ist die Abteilung Reparaturabwicklung und Servicekontrolle. Ich wünsche ...“ „Und ICH wünsche verdammt noch mal jetzt jemanden zu sprechen, der mir weiterhelfen kann mit meinem Staubsauger...“ „Hören Sie mal, nicht in diesem Ton! Mein Name ist Gabriele Joleck. Ich lasse mich nicht so anmeckern, am frühen Morgen. Es tut mir leid, daß Sie warten mußten. Vielen Dank für Ihr Verständnis.“ „Was heißt hier warten? Seit einer halben Stunde werde ich von einem zum anderen geschoben. Da kostet mich ja das Telefongespräch schon ein Vermögen!“ „Werden Sie bloß nicht pampig. Ich wünsche Ihnen einen guten Morgen. Solche Kunden haben mir gerade noch gefehlt. Es tut mir leid, daß Sie warten mußten. Sie glauben wohl, Sie können hier den Gollo machen, hä? Gehen Sie doch dorthin, wo der Pfeffer wächst! Ich hoffe, ich konnte Ihnen weiterhelfen.”
Klaus Marion
Last updated 07.10.99