© Klaus Marion 2005
erschienen in VORSICHT 9/2005
Es gibt wohl nichts, was man nicht
automatisieren könnte.
Automatisierung bedeutet, dass alles schneller und einfacher wird.
Nur nicht für den Kunden…
Meine Frau hatte mich schon vorgewarnt:
"Für die Pfandrückgabe haben die jetzt Automaten!".
Und tatsächlich: Wo früher im Hintergrund des Verbrauchermarktes ein schlecht
gelaunter Beauftragter des Hauses Kästen und Flaschen zählte und im Anschluss
einen Gutschriftsbon überreichte, prangten jetzt im Vordergrund des Geschäftes
zwei große Automaten eingebaut in der Wand. Davor eine längere Schlange mit
Personen, die, bewaffnet mit allerlei Leergut, sichtbar verunsichert versuchten,
die Geräte mit den mitgebrachten Behältern zu füttern.
Ich konnte mir ein kleines, überlegenes Lächeln nicht verkneifen. Als weit
gereistem Fahrensmann waren mir derartige Automaten aus skandinavischen Gefilden
schon seit 20 Jahren bekannt. Dosen und Flaschen in ein Einwurfloch hinein
schieben, "Fertig-Taste" drücken, Bon entnehmen, Fertig. Die sichere
Bedienung solcher Geräte ist letztendlich nur eine Frage des Intellekts.
Die Schlange rückte weiter. Mit einer lässigen Bewegung holte ich die erste
Flasche der Überreste einer kleineren Hausparty aus meinem Einkaufswagen und
schob sie schwungvoll in das dafür vorgeschriebene Einwurfloch. Die Flasche
wurde von einem Förderband erfasst, mitgenommen, um im Anschluss genauso flott
wieder ausgespuckt zu werden. Ein lautes Summen, illustriert von einem auf dem
Bildschirm aufleuchtenden ‚Falscher Einwurf', quittierte die Aktion. Ich schob
die Flasche erneut ein. Das Resultat blieb das Gleiche, nur das Jaulen der
Sirene war vielleicht noch eine Idee lauter. Anscheinend ein technischer Fehler.
Kein Wunder, das es mit Deutschland bergab geht. Nicht einmal Automaten können
wir bauen!
Ich schob meinen Kopf um die Ecke und wandte mich an eine dort arbeitende
Kassiererin.
"Entschuldigen Sie bitte, das Gerät scheint einen Defekt zu haben.
Könnten Sie…"
"Flasche mit dem Boden zuerst rein. Können Sie nicht lesen?" Ohne
ihre Arbeit zu unterbrechen zeigte Sie auf ein über dem Gerät hängendes
Schild.
"Danke" Tatsächlich hing da eine Anleitung in Postergröße.
Unter den Blicken der hinter mir ungeduldig Wartenden startete ich den Einwurf
erneut. Bis zur 5. Flasche informierte mich der kleine Bildschirm über mein
stetig steigendes Pfandguthaben, danach hupte es erneut. Hinter dem Einwurfloch
röhrte eine genervte Stimme:
"Erst einwerfen, wenn das GRÜNE Licht wieder aufleuchtet!" Ich
starrte durch das Loch hindurch. Interessant. Das kleine Förderband
transportierte die Flaschen nach der elektronischen Zählung zur anderen Seite
der Wand auf einen großen Tisch, wo sie von einer gehetzten Person in Kästen
verpackt wurde. "Is' was??"
Hastig zog ich den Kopf wieder zurück und fütterte unter Beachtung der grünen
Lampe das Gerät erneut.
Jetzt blieben noch die Kästen. Ich schob den Bierkasten auf das Förderband an
der quadratischen Öffnung ganz unten. Der Kasten wurde eingezogen, gedreht, und
das Pfand wurde dem Betrag auf dem Bildschirm gutgeschrieben. Ich schob den
zweiten Kasten nach.
"JAUUL!". Der Kasten wurde wieder ausgeworfen, ein rotes ‚Nicht
korrekt' erschien in der Anzeige.
"Entschuldigen Sie bitte, kleines technisches Problem…" rief ich
zaghaft um die Ecke
Das Stöhnen der Schlange hinter mir übertönte jetzt schon das Röhren des
Alarms.
"Nur Bierflaschen in Bierkästen!"
Aha. Ich prüfte die einzelnen Flaschen im Kasten einzeln und entfernte die
beiden Limonadebehälter. Neuer Versuch. Rote Lampe, Alarm.
Ein gewalttätiger Aufruhr bei der hinter mir wartenden Menge hing jetzt
bedrohlich in der Luft. Nervös schob ich den Kasten mit Gewalt gegen die
Laufrichtung des Förderbandes. Der Bildschirm blinkte und informierte mich
über "Systemfehler - Personal rufen"
Ich starrte durch die Öffnung. "Hallo, ist da jemand?"
Neben den Automaten öffnete sich eine Tür. Der Mann öffnete mit einem
Schlüssel die Verkleidung des Automatens und drückte eine Rückstelltaste.
"Nicht mit Gewalt schieben!"
"Äh, ja. Danke"
Ich legte den Kasten erneut ein. Unter dem schmerzhaften Aufjaulen der hinter
mir wartenden Schlange ertönte wieder ein neuer Alarm.
"Sie müssen die Flaschen im Kasten aufrücken, sonst kommt es zu
Fehlalarm."
Ich rückte auf. Der Kosten wurde eingezogen.
Ich lächelte der Person hinter mir zu und drückte auf den "Bon
ausdrucken"-Knopf.
"Huuup!!" ‚Bondrucker defekt. Personal rufen.' prangte in der
Anzeige.
"Öh, da muss ich die Kassenaufsicht rufen"
Die Kassenaufsicht wechselte kaum 10 Minuten später die leere Bon-Rolle aus.
"So, jetzt geht's wieder. Hatten Sie schon etwas eingeworfen?"
"Ja, einiges"
"Hm das ist schlecht. Den Bon hat er nicht mehr gedruckt. Der Betrag ist
leider weg. Wissen Sie noch genau, was sie eingeworfen haben?"
"Nein"
"Dann müssen wir gemeinsam im Leergutlager nachsehen. Ich schalte den
Automaten erst einmal ab"
Die Frau hinter mir in der Schlange begann hemmungslos zu weinen.
"Es tut mit leid, aber das sind nur Anlaufschwierigkeiten bei solchen
Systemen"
"Warum wurden Sie dann eingeführt?"
"Na, damit die Pfandrückgabe schneller geht!"
Klaus Marion
Last updated 11.10.05