(c) Klaus Marion 5/2004
erschienen in VorSicht
Der Tag, als die Spülmaschine ihren ordnungsgemäßen
Dienst versagte, war ein Sonntag. Meine Frau informierte mich mit einem
aufgeregten Bulletin darüber, dass das Gerät seine ordnungsgemäße Arbeit
eingestellt habe und nicht bereit wäre, das eingestellte Geschirr weiterhin zu
säubern.
Sie würde telefonisch am kommenden Tag umgehend einen qualifizierten Reparateur
bestellen.
Ich gebot Ihrem Eifer erst einmal Einhalt.
Erstens erinnerte ich mich mit einigem Schrecken, dass der Einsatz externer
Experten zwar bisher jedes Mal die betroffenen Haushaltsgeräte wieder in einen
funktionsfähigen Zustand versetzt hatte, jedoch ein nicht unerhebliches Loch in
die finanzielle Monatsdisposition gerissen hatte. Ich erläuterte ihr, dass ich
mich selber an die Reparatur machen würde.
"Du?"
Ich wies den mit dieser Frage unterschwellig spürbaren Zweifel an meinen
technischen Fähigkeiten streng zurück. Erstens haben Mitarbeiter von
EDV-Berufen es mit strenger Logik und klaren Abfolgen zu tun, ein Faktum, dem
sich auch eine Spülmaschine nicht entziehen kann. Des weiteren erinnerte ich
mich deutlich, schon einmal einer Reparatur der Spülmaschine beigewohnt und
festgestellt zu haben, dass die Fähigkeiten von Reparateuren stark
überschätzt wird.
Mit Hilfe des Werkzeugkoffers machte ich mich an die Arbeit.
Nach Demontage der Fronttür registrierte ich fest, dass die technischen
Innereien des Gerätes immer noch nicht frei lagen. Eine Inspektion des auf
Füßen stehenden Gerätes von unten ergab, dass ein Zugang auch von dieser
Seite nicht gegeben war. Offensichtlich befanden sich die notwendigen Sensoren
nebst Elektrik in den Seitenwänden.
Ich entfernte die seitlichen Verschraubungen zur Einbauküche und zog die
Maschine unter Einsatz körperlicher Gewalt aus der Küchenzeile.
"Was war denn das für ein Lärm??"
Die Frage bezog sich offensichtlich auf das viermalige, leise "Knack"
sowie das anschließende laute "BUMMMM", mit dem die 4 Füße der
Maschine abbrachen und das Gerät jetzt 20 cm tiefer auf dem Boden aufschlug.
Ich erklärte meiner Frau, dass es sich dabei um die gewollte und geplante
Tieferlegung des Gerätes handele. Danach entfernte ich mit einiger Mühe unter
Verlust einer Gummidichtung die Seitenwand.
Jetzt lagen die Innereien des Gerätes klar vor mir. Eine überraschend
komplizierte Anordnung von Röhrchen, kleinen und großen Schläuchen, Taster
und Druckschalter präsentierte sich meinen Blicken.
Ich versuchte dies alles zu durchschauen. Nach 10 Minuten konzentrierter
Beobachtung und der plötzlichen Erinnerung, dass die von mir beobachtete
Reparatur sich nicht in unserer Küche, sondern auf dem Bildschirm in der
Lindenstraße abgespielt hatte, entschloss ich mich, zur Klärung des Defektes
das Gerät einfach in Betrieb zu setzen.
Nach rund einer Stunde hatte ich die Vorderfront wieder wasserdicht befestigt.
Allerdings stimmte jetzt etwas mit den Scharnieren nicht, denn die Tür ließ
sich auch unter Anwendung unmittelbarer Gewalt nicht mehr öffnen. Ich verschob
die Lösung dieses Problems erst einmal auf später und startete die
Spülmaschine.
Es war faszinierend. In den kleinen Röhrchen sank oder stieg rhythmisch der
Flüssigkeitsspiegel und betätigte kleine Taster. Nur das Wasser lief nicht zu,
sondern trotz trockener Maschine arbeitete die Ablaufpumpe. Ich folgerte
messerscharf: Wenn die Maschine abpumpt, dann denkt sie, es wäre noch Wasser
drin. Das heißt, irgendwo ist ein Taster noch aktiv, der auf den
Flüssigkeitsspiegel reagiert. Ich wackelte an allen verdächtigen Komponenten
und klopfte gegen die Teile, um eventuelle Verstopfungen in dem Röhrengeflecht
zu beseitigen. Plötzlich verstummte die Pumpe, und das Wasser lief endlich zu.
Einer der Hebelchen hatte sich wohl verklemmt. Stolz lauschte ich dem Drehen des
Motors und dem Rauschen des Wassers. Dabei wurde mir bewusst, dass im unteren
Teil jetzt ein elektrischer Kontakt lose herumlag, der möglicherweise bei
meinen Untersuchungen abgefallen war. Trotz intensiver Suche konnte ich nicht
feststellen, wo dieses Ding hingehörte. Drückte man es, dann wurde die
Wasserzufuhr unterbrochen. Lies man es los, lief wieder Wasser nach.
"Warum hört sich die Maschine so komisch an?" Meine Frau war wieder
näher gekommen.
Anscheinend war mehr Flüssigkeit nachgelaufen als beabsichtigt und hatte das
Gerät bis oben hin mit Wasser gefüllt.
"Kein Problem, die Türe kann sich sowieso nicht öffnen!"
Bevor ich manuell das Abpumpen aktivieren konnte, hatte der unnatürliche
Wasserstand einen Weg in die Steuerungselektrik gefunden. Beim verzweifelten
Versuch, dem Wasserrinnsaal eine Dichtung entgegen zu setzen, lösten sich zwei
weitere Kontakte sowie das Kabel der Programmsteuerung. Sofort begann wieder
Wasser nachzulaufen.
Ich riss die Pumpensteuerkabel aus ihren Sensoren und schloss sie manuell kurz,
um weiteren Zulauf zu verhindern. Nach dem Durchtrennen der
Heizspiralensteuerung bekam ich etwas System in die Angelegenheit. Ich verband
die jetzt lose hängenden Kabel mit mehreren alten Lichtschaltern aus dem
Werkzeugkasten, so dass jetzt eine manuelle Steuerung des Reinigungsvorgangs
möglich war.
Jetzt war die akute Krise überwunden. Ich bohrte ein Loch in die Abdeckung der
Maschine, so dass ich zur Wasserstandshöhenmessung einen alten Ölstab
einschieben konnte.
Seit diesem Tag ist das Spülen verunreinigten Geschirrs wieder problemlos
möglich. Nach Abschrauben der Vorderwand kann eine Beschickung des Spülers
durchgeführt werden. Nach dem Festschrauben der Flügelmuttern ist durch
einfache Handsteuerung der jetzt außen liegenden Lichtschalter im Rhythmus
"Wasser rein", Motor an" und "Wasser raus",
"Heizung an", "Motor aus" sowie regelmäßigem Prüfen des
Wasserstandes mit dem Ölmessstab die ursprüngliche Funktion wieder
bereitgestellt.
Mag auch das einstündige Verharren am Gerät lästig sein: es zeigt sich doch
wieder einmal, dass für eine halbwegs intelligente Person gerade in
wirtschaftlich schlechten Zeiten die technische Selbsthilfe kein Problem ist.
Klaus Marion
Last updated 08.07.05